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Aus Abstiegsängsten werden Europaträume: Das Comeback des Traditionsvereins

Hier sind sie wieder. Der Traditionsverein Nottingham Forest ist auf bestem Weg nach dem Premier League Comeback auch in Europa wieder mitzumischen. Eine unsaubere Transferoffensive und zwei sensationelle Trainerleistungen sind der Grund für die Wiederauferstehung.

Inhaltsverzeichnis

Was haben Real Madrid, AC Milan, Liverpool und Nottingham Forest gemeinsam?

Allen diesen Vereinen ist es gelungen die Champions League zwei Mal in Folge zu gewinnen. Kein Scherz. Die „Tricky Trees“ haben sich bei dieser Aufzählung nicht eingeschlichen, sondern gehören seit ihren Titelerfolgen im Europapokal der Landesmeister (heute: Champions League) in den Jahren 1979 und 80 zu jenen Mannschaften, welche diese Errungenschaft von zwei Champions League Titeln nacheinander verzeichnen können. Die letzten 25 Jahren blieben solche glorreichen Erfolge allerdings aus, wobei sich Forest in dieser Zeit bis im Jahr 2022 in der Spielklasse unter der Premier League aufhielt und die Champions League dem Verein nur aus Geschichtsbüchern ein Begriff war. Doch die aktuellen Leistungen deuten auf eine vielversprechende Zukunft hin. Nottingham Forest und ihr Trainer Nuno Espirito Santo stehen auf dem dritten Platz der Premier League, punktgleich mit Titelanwärter Arsenal und haben beste Chancen auf ein internationales Comeback in der nächsten Saison.

Berg- und Talfahrt – Plötzlich Top Four

Dass Nottingham Forest jetzt dort steht wo sie stehen ist mehr eine Überraschung als ein Projekt, bei dem man solch ein Ergebnis hätte hervorsehen können. Die zwei Hauptverantwortlichen sind die Trainer Steve Cooper und Nuno Espirito Santo. Cooper brachte den Verein innerhalb einer Saison vom Abstiegskampf der Championship (zweite englische Liga) ,durch einen Sieg in den Play-offs, zum Aufstieg in die Premier League. Der andere beförderte den Verein innerhalb von einem Jahr vom Abstiegskampf der Premier League auf einen Champions League Platz und somit unter die besten vier Mannschaften von ganz England.

Die Platzierungen der letzten Jahre

Doch beginnen wir nochmals von vorne, in der Saison 2020/21, an einem Zeitpunkt, wo die Leute aus Nottingham einen für verrückt erklärt hätten, wenn man ihnen gesagt hätte, dass ihre Mannschaft in wenigen Jahren um die „Top Four“ spielen werde. Nach den 46 Spieltagen beendete Forest diese Saison auf dem 17. Platz der Championship. Ende September 2022 entliess der Verein folgend den Trainer Chris Hughton aufgrund von mangelndem Erfolg und brachte den Waliser Steve Cooper nach Nottingham. Cooper war zuvor bei Swansea und davor in der Jugendabteilung von England und Liverpool angestellt. Dem Waliser reichte eine Saison, um den „Tricky Trees“ den Aufstieg in die höchste Englische Spielklasse zu sichern. In der Premier League angekommen, verhinderte Cooper nur knapp den Wiederabstieg des Vereins und konnte auch in der nächsten Saison keine Verbesserungen aufweisen, weshalb er durch den Portugiesen und ehemaligen Wolverhampton und Tottenham Trainer Nuno Espirito Santo ersetzt wurde.

Nuno Espirito Santo übernahm den Verein auf dem 17. Platz der Premier League am 20. Dezember 2023 und ist gerade mal bisschen länger als ein Jahr im Amt. Seither ist die Mannschaft aus Nottingham wieder auf der Erfolgsschiene und steht zurzeit auf dem dritten Platz der Premier League, nur sechs Punkte hinter Leader Liverpool. Die Geschichte von Forest erinnert ein wenig an Leicester City, die zwei Saisons nach ihrem Aufstieg die Liga gewinnen konnten. Dass eine Mannschaft aufsteigt und dann wenig später in der „Top Four“ landet ist  eine Seltenheit, weshalb sich die Frage stellt, was Forest im Vergleich zu anderen Aufsteigern besser beziehungsweise geschickter macht.

Krumme Transferoffensive und Punkte-Abzug

In den meisten Fällen haben Aufsteiger Probleme überhaupt den Klassenerhalt zu schaffen. Die Kaderqualität und das Transferbudget der Aufsteiger kann meistens nicht mit jenen der etablierten Premier League Klubs mithalten. Anders sah es allerdings bei den „Tricky Trees“ aus, die sich bei ihrer Rückkehr in die Premier League in Kauflaune präsentierten. Insgesamt 198 Millionen Euro gab der Verein für ganze 37 Neuzugänge aus, wobei sie nur 5 Millionen durch 23 Transferabgänge (die meisten ablösefrei) erwirtschafteten. Das macht ein Defizit von 193 Millionen Euro, das zur Folge hatte, dass dem Verein vier Punkte in der Saison 2023/24 abgezogen wurden. Ihre Ausgaben verstiessen gegen die Richtlinien des „Financial FairPlay“ der UEFA. Allerdings konnten trotz den Verpflichtungen von vielversprechenden Spielern wie Morgan Gibbs-White, Jesse Lingard, Chris Wood und Remo Freuler die Ziele nicht erreicht werden, nämlich das Tabellenmittelfeld zu besetzten. Stattdessen endete die Saison für Nottingham Forest zwei Plätze über der Abstiegszone. Der Abstieg wurde zwar vermieden, aber ,wie bereits erwähnt, hatte das Ganze seinen Preis. Nottingham Forest ist global der Aufsteiger mit den grössten Transferausgaben aller Zeiten. Jedoch schiesst Geld bekanntlich keine Tor, weswegen der Einfluss vom Trainer Santo, der dann zu Forest geholt wurde, umso spannender zu beobachten ist.

Das Kompensieren individueller Qualitätsdefizite

Nuno Espirito Santo, der während seiner Zeit als Spieler Torwart war, verfügt bei Forest nicht über eine Mannschaft von zahlreichen individuellen Qualitätsspielern. Zwar hatte Nottingham die vergangenen Jahre hohe Ausgaben, jedoch sind sie was den Kaderwert betrifft auf dem zehnten Platz hinter Aston Villa, Brighton, Newcastle und den „Big Six“.  Stattdessen zeichnet sich sein konterbasiertes System durch die enorme Arbeitsrate seiner Spieler aus.

Unangenehmes Spiel für jeden Gegner

Gegen den Ball zeigen sich die „Tricky Trees“ äusserst aggressiv mit einem sehr körperbetontem Auftreten, wobei sie in der eigenen Spielhälfte in einem 4-4-2 formiert sind, die Kondition der Gegner fordern und die Mittelfeldspieler viele Zweikämpfe suchen. Dabei sticht Ryan Yates besonders heraus, indem er gnadenlos um jeden Ball kämpft und somit das eine oder andere Mal ein Foul begeht.  Doch auch die Innenverteidiger Morato, Milinkovic und Murillo sind für die Gegenspieler in Zweikämpfen unangenehm und machen das Durchstossen durch die Abwehr Forests schwierig.

Die defensive Formation von Forest ohne Ball

Den Feind zum Freund machen

Zudem machte der Trainer-Staff die grössten Schwächen Nottinghams von letzter Saison zu ihren Stärken. Vergangenes Jahr war die Mannschaft ungefährlich bei Standarts und kassierte immer wieder Tore bei solchen Situationen. Diese Saison sind sie hingegen nach „Setpiece FC“, Arsenal, die zweitgefährlichste Mannschaft nach Standardsituationen in der Premier League.

Auch auf der Torhüterposition hatten sie ihre Probleme, da Turner fehleranfällig war. Ganz anders präsentiert sich diese Saison Torwart Sels, der statistisch der beste Torhüter der Liga ist. Diese verbesserten Aspekten verdankt der Verein Santo und seinem Staff, welche knallhart Änderungen bei den Aspekten vornahmen, die es am nötigsten hatten.

Von Null auf Hundert

Mit dem Ball gilt bei den „Tricky Trees“: Der Ball muss so schnell wie möglich zu den Flügelspielern Callum Hudson-Odoi und Antony Elanga. Diese nehmen dann Tempo auf, gehen ins Eins gegen Eins und suchen entweder denn Abschluss oder den Spitzenstürmer Chris Wood. Die Stellung wird dabei vom defensiven 4-4-2 zum symmetrischen 3-4-3 umformiert, wobei „Aussenverteidiger“ Neco Williams ins Mittelfeld aufrückt. Aussenverteidiger steht deswegen in Anführungs- und Schlusszeichen, da der Walisische Spieler für seine offensiven Aktionen bekannt ist und sich dadurch auszeichnet. Der andere Aussenverteidiger Ole Aina bleibt mit dem Innenverteidiger-Duo in der Defensivkette.

Die offensive Formation bei der Williams ins Mittelfeld aufrückt

Obwohl Trainer Santo Kontersituationen liebt, hat seine Mannschaft auch Optionen das Spiel langsamer aufzubauen. Dennoch bleiben die Zielspieler nach wie vor die Flügel. Diese sind nunmal die technisch versiertesten Spieler der Reds und bereiteten vielen Verteidigern Probleme. Elliot Anderson, der im Sommer von Newcastle zu Nottingham wechselte, und Morgan Gibbs-White sind dabei die kreativen im Mittelfeld, welche die Bälle verteilen. Wichtig zu erwähnen ist, dass wenn Forest gegen leicht-pressende und/oder tief-stehende Gegner antritt, ihre Formation vom 3-4-3 in ein noch offensiveres 2-5-3 übergeht. Der zweite Aussenverteidiger rückt somit ebenfalls in die Mittelfeldkette auf.

Die noch offensivere Formation bei der auch der zweite Aussenverteidiger ins Mittelfeld übergeht

Der "Barclays-Striker"

Ein ebenfalls grosser Erfolgsfaktor ist diese Saison Stürmer Chris Wood aus Neuseeland. Dieser kennt die letzten Monate scheinbar keine Grenzen und verwandelt jede Vorlage in ein Tor. Obwohl man denken würde, dass der Ex-Burnley, Newcastle und West Brom Spieler eher nicht in den modernen Fussball passt, erfüllt er im System von Santo genau seine Aufgabe. Ein echter „Barclays-Stürmer“ nennen ihn viele Fans, da er an die Stossstürmer der Zeit erinnert, als die englische Bank Barclays Hauptsponsor der Premier League war. Für viele Fanatiker die goldige Zeit der Premier League.

Die Grossen können die Party jederzeit crashen

Ein dritter Platz und zahlreiche Siege sind das Resultat von fantastischer Arbeit von Nuno Espirito Santo, seinem Staff und dessen Spielern. Doch wie oft bei solchen Vereinen, die nicht mehr zu den grossen Tieren der Branche gehören, verlieren sie ihre Spieler nach zwei bis drei guten Saisons. Sie fungieren als Produktionen für die ganz Grossen, die ohne zu zögern die Spieler abluchsen. Dann muss wieder ein komplett neues Projekt lanciert werden. Geniessen wir aber noch das Nottingham Forest, dass wir zurzeit haben. Denn es ist eine märchenhafte Phase für den ganzen englischen Fussball und die Menschen aus Nottingham.

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