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Die Super League verehrt ihre Rückkehrer

In einer Liga, in der die Helden Shaqiri, Fassnacht, Zuber und Steffen heissen, haben wir ein Problem. Denn die waren schon einmal die Helden. Ein Kommentar

Eine Chat-GPT Karikatur: Die alten Rückkehrer sind die Stars der Super League. Aufstrebende Talente ziehen den Kürzeren.

Inhaltsverzeichnis

Die Rückkehrer sind die Leistungsträger der Liga – trotz Flirts mit der Pensionierung. Es wird Zeit, das Altersheim Super League dichtzumachen.

Es ist eine Mode, die im Schweizer Fussball inzwischen eher als Zwang daherkommt denn als transferpolitisch kluge Entscheidung: einen Routinier zu verpflichten, der einst in dieser Liga seine Karriere begann, fortan europäisch erfolgreich wurde und nun nochmals die letzten Kräfte mobilisieren soll, um seinem „Herzensverein“ auszuhelfen. Wobei es sich nicht zwingend um Herzensangelegenheiten handeln muss, wie uns der moderne Fussball immer wieder klar macht.
Doch Superligisten lieben diesen Trick – schliesslich haben die meisten einen verlorenen Sohn gefunden. Basel hat seinen Shaqiri, YB seinen Fassnacht und Lugano seinen Steffen. Und der FCZ bekam halt einen vom Erzrivalen, da Admir Mehmedi ein kurzes Rendezvous als Sportchef bei Schaffhausen und die tiefgründigen Analysen mit den Genossen Zubi und Dani (Gygax) der Rückkehr zum Stadtclub vorzog.

Wäre Mehmedi ein Saisönchen länger in der Munotstadt geblieben, wäre eventuell noch ein Einfamilienhaus dabei herausgesprungen. Andere Geschichte.

Die Alten zeigen’s den Jungen

Die Rückkehrer sind entscheidend für die Erfolge der Vereine. Xherdan Shaqiri führt die Torschützenliste der Liga an und ist nebenbei noch der Spieler, der die meisten Tore auflegt – und das, obwohl der Mann 33 Jahre alt ist (!).
Christian Fassnacht kommt schon fast als Messias daher, wenn man bedenkt, dass er nach seinen knapp vier Monaten, die er inzwischen wieder in Bern weilt, bereits alleiniger Toptorschütze der Mannschaft ist. Dieses dominante Auftreten hat den ehemaligen Nati-Spieler sicher selbst überrascht. Denn Fassnacht kämpfte wenige Monate vor seinem Comeback bei YB mit einer Verletzung an der Achillessehne, die ihn bei seinem Vorgängerverein Norwich City auf die Zuschauerränge zwang. Doch wer braucht schon eine Aufwärmzeit, wenn die Konkurrenz noch immer denkt, dass Dehnen eine Angelegenheit für Balletttänzer sei?

Und Zuber – Zuber ist beim FCZ, bei dem Spieler in constantinscher Weise rotiert werden, neben der Pfeife von Canepa das Einzige, was beim FCZ noch irgendeine Art von Wiedererkennung ausstrahlt. Insbesondere die Startaufstellung von Ricardo Moniz zeigt Woche für Woche neue Gesichter.
Hierfür eine kurze Visualisierung, damit Sie die Relevanz des Super-League-Rückkehrers Zuber beim FCZ verstehen: Stellen Sie sich einen Zauberwürfel vor. Zuber ist der mittlere Stein – dieser lässt sich bekanntlich als einziges Element eines Zauberwürfels nicht bewegen. Und Moniz ist das Kind, das ahnungslos am Cube herumfuchtelt in der Hoffnung, dass mit der Zeit der Zufall das Problem löst – das Problem der Startaufstellung.

Moniz und der Zauberwürfel (Chat-GPT Karikatur)


Die Rückkehrer sind kurzfristige Erfolgsbringer

Wären die Rückkehrer nicht in den Mannschaften, wären die Schwierigkeiten, in denen sich die Vereine befinden, deutlich ersichtlicher. Die Super League befindet sich punktetechnisch in einer ihrer schlechtesten Saisons der Geschichte. Allerdings sorgen die Rückkehrer doch dafür, dass der Schweizer Fussballfreund etwas zum Geniessen kriegt.

Die Rückkehrer kompensieren die fehlende Integrität der Jungen und lassen die Super-League-Vereine sich mit dem kurzfristigen sportlichen Erfolg schmücken. Das geht so lange gut, bis die verehrten Rückkehrer die Schuhe an den Nagel hängen.
Nehmen Sie Basel Shaqiri weg, hat fortan kein Beppi mehr feuchte Träume vom Barfi. Nehmen Sie dem FCZ Zuber weg, dann gilt er auf einmal in der Fanszene nicht mehr als Hopper. Und entwenden Sie den Bernern Christian Fassnacht, dann fehlt in der Hauptstadt sozusagen der Bär im Bärengraben.

Die echte Melkkuh kommt noch

Doch wer denkt, dass die Spitze des Eisbergs erklommen wurde, dem ist nicht bewusst, was für eine Welle von Veteranen momentan direkt auf die Schweiz zuströmt.

Die goldene Generation
Die U17-WM von 2009 mag vielen Schweizer Fussballkennern als grandioses Ereignis in Erinnerung bleiben. Haris Seferovic, Granit Xhaka, Ricardo Rodriguez und wie sie nicht alle heissen, krönten sich zur weltweit besten U17-Auswahl und wurden zur „goldigen Generation“ des helvetischen Fussballs. Viele von ihnen absolvierten bravouröse Karrieren – und spielen noch immer bei europäischen Spitzenklubs.

Die Super League melkt die Kuh der goldenen Generation aus. (Chat-GPT Karikatur)


Allerdings werden die Schweizer Fussballwunder nicht für immer mit den Elitespielern mithalten können. Denn Mitte dreissig macht der Körper nicht mehr so mit, wie er es zu Zeiten der U17-WM gemacht hat. Dadurch werden sich gut möglich einige dieser Jugend-WM-Sieger bald mit der Frage befassen, in ihr Heimatland zurückzukehren – in die Super League, wo sie angenehmer logieren können als in jeder Altersresidenz, wo sie qualitativ noch immer überdurchschnittlich sind und wo sie sich bei gutem Gehalt nochmals vor der Pension austoben können.

Allerdings geht die goldene Schweizer Fussballgeneration über das U-17-Kader von 2009 hinaus. Auch Namen wie Yann Sommer, Fabian Schär und Remo Freuler gehen langsam aber sich auf ihr Karriereende zu. Als letzte Station würde ihnen die Super League sicher entsprechen.

Die Oldstars stellen die Talente in den Schatten

Die Rückkehrer sind bei den meisten Fans gern gesehen. Wenn man als Rückkehrer nicht gerade beim Erzrivalen mit dem Fussballspielen begann, wird man schnell zum Publikumsliebling. Bevor das geschieht, werden solche Spieler aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Qualität vorerst zum Trainerliebling. Das bremst aber zugleich das Aufkommen junger Talente. Denn oftmals dreht sich ein System eines Trainers nicht um die Jungen, sondern tatsächlich um die Alten – die Rückkehrer. Und das ist absurd.
Während Shaqiri und Zuber in den Systemen ihrer Trainer grosse Freiheiten geniessen, sind aufstrebende Spieler darauf angewiesen, die Shaqiris und Zubers ins Spiel zu bringen. Das spiegelt sich auch neben dem Feld wider. Die Trikots der Rückkehrer (Zuber selbstverständlich ausgenommen) werden von den Fans am meisten gekauft. So sind sie sowohl neben dem Platz als auch auf dem Platz im Rampenlicht – auf Kosten derjenigen, die noch die Karriere vor sich haben.
Der Schweizer Fussball muss sich entscheiden, ob die Rückkehrer die Liga dominieren sollen oder ob man sich von ihnen abwendet, dadurch eventuell Qualität verliert, jedoch etwas für die Zukunft des Schweizer Fussballs tut. Das würde sich auf Ligaebene und Nationalebene garantiert auszahlen. Dann ist man irgendwann gar nicht mehr auf diese Pensionäre angewiesen.

Im Fussball ist man zu nostalgisch


Die potenziellen Rückkehrer abzulehnen, mag dem einen oder anderen sicher unromantisch vorkommen. Doch wer nostalgisch Vergangenes nochmals erleben will, verpasst nun mal das Neue, das Potenzielle. „Früher war alles besser“ ist eine Floskel, die mir den Gallensaft hochtreibt – auch beim Fussball. Ein Blick über den eigenen Tellerrand schadet nie.
Melken wir stattdessen die Kuh der U17-WM bis zum letzten Tropfen aus, dann kommt man sich bei der Talentausbeute der Schweiz bald so vor wie bei der demografischen Darstellung der Schweizer Bevölkerung: zu viele Alte, zu wenige Junge. Irgendwann bricht dieses System zusammen. Dann ist ein Cupfinalist wie der FC Biel keine Ausnahme mehr, da sich der Leistungssport nur schwer vom Breitensport unterscheiden lassen wird.

Dass die Schweizer Talentmaschinerie irgendwann wieder „boomt“, kann nur passieren, wenn die Funktionäre den Mut zusammennehmen und die Jungen als Stars unserer Liga definieren. Solange sie die Rückkehrer verehren, wobei man eher von glorifizieren sprechen sollte, hinkt die Entwicklung unserer Liga nach.

Während eine Nation wie Belgien längst seine Rolle im modernen Fussball gefunden hat und Talente am laufenden Band produziert, steckt unser Fussball noch immer tief in der Vetterliwirtschaft fest. Man kriegt das Gefühl, dass die Leute hierzulande der Vergangenheit nachtrauern.

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