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Nichtangriffspakt: Auf Nummer sicher tut dem Auge weh

Im Falle eines Remis sichern sich Paris Saint Germain und der VFB Stuttgart das garantierte Weiterkommen in die Play-offs der K.O.-Phase. Ein Blick in die Geschichtsbücher des Fussballs zeigt, dass solche Voraussetzungen schon für Skandale sorgten. 

Das Skandalspiel Deutschland gegen Österreich der WM 1982

Inhaltsverzeichnis

Dem ein oder anderen älteren Fußballfanatiker aus Deutschland dürfte beim Begriff ‚Nichtangriffspakt‘ ziemlich sicher der Gallensaft hochkommen. Was nach einem politisch-militärischen Vorgehen klingt, ist seit dem Jahr 1982 ein Begriff, der auch im Zusammenhang mit unserem Lieblingssport steht. In dem besagten Jahr kam es an der Weltmeisterschaft in Spanien zu einem skandalösen Gruppenphasen-Spiel zwischen Deutschland und dessen Nachbarn Österreich.

Die Situation vor dem Spiel:

Hinweis: bis vor der WM 94 gab ein Sieg „nur“ 2 Punkte, ein Unentschieden 1 Punkt und eine Niederlage keine Punkte

Gruppe B, Weltmeisterschaft 1982, Stand vor dem Spiel Deutschland-Österreich

  1. Österreich, 3 gespielte Spiele, 3 Tordifferenz , 4 Punkte
  2. Algerien, 3 gespielte Spiele, 0 Tordifferenz, 4 Punkte
  3. Deutschland, 2 gespielte Spiele, 2 Tordifferenz, 2 Punkte
  4. Chile, 3 gespielte Spiele, -5 Tordifferenz, 0 Punkte

Folgendes gilt:

Die ersten zwei kommen weiter. Dies bedeutet, dass Deutschland das Spiel gegen Österreich gewinnen muss, um nicht auszuscheiden. Damit die Österreicher weiterkommen, dürfen sie nicht mit einer höheren Tordifferenz als von zwei Toren verlieren. In Algerien hingegen hofft man auf Österreich, das mit einem Sieg oder Unentschieden, den Nordafrikaner ein Geschenk bereiten könnte. Da die Algerier Deutschland zuvor mit 2:1 schlugen, hatten sie Hoffnung für ein sonst so seltenes Weiterkommen an einer Weltmeisterschaft.

Für elf Minuten ein normales Spiel

Das Spiel beginnt und der Wille der deutschen Mannschaft ist ersichtlich. Unbedingt möchten sie dieses Spiel gewinnen, auf den ersten Platz der Gruppe vorrücken und in die zweite Gruppenphase gelangen. Die Mannschaft galt vor dem Turnier als Favorit auf die Weltmeisterschaft und hätte somit für einen Schreck gesorgt, wenn sie bereits aus der ersten Gruppenphasen geflogen wären. So kommt es, dass Deutschland schon in der elften Minute das 1:0 erzielt und die Fans erstmal verschnaufen können. Deutschland wäre beim Verbleib dieses Resultates Tabellenerster verfolgt von Österreich, dahinter Algerien.

Viele deutsche Fans waren sich aufgrund des dominanten Auftretens der ersten zehn Minuten sicher, dass Deutschland die Partie komfortabel gewinnen wird. Doch statt einem Kantersieg, was durchaus der Verlauf des Spiels hätte sein können, entwickelt sich die Partie in ein vorsichtiges „Geschiebe“. Doch das ist vorerst keinem ein Dorn im Auge. Schliesslich sind taktische Umwälzungen bei solchen Turnieren keine Sonderheit, nein, diese müssen getätigt werden, um erfolgreich zu sein. Als dann ab der 20. Minute die ersten Pfiffe der 40’000 Fans nach dem neun Minütigen Geschiebe der Mannschaften erklingen, ist allen klar, dass mehr dahinter stecken könnte, als nur eine taktische Umstrukturierung seitens Deutschland. Denn auch Österreich scheint mit dem Resultat befriedigt zu sein. Diese sind weder in der Laune zu pressen, noch bei Ballbesitz einen Angriff einzuleiten, trotz Rückstand.

„Die Schande von Gijon“

Und so bleibt es. Ab der 54. Minute kann schliesslich nicht mal mehr ein Angriff dokumentiert werden. Das Spiel wirkt wie eine Passübung, die 90-Minuten andauert. Beide Mannschaften haben eine Passpräzision weit über 90 Prozent, was sie der Einfachheit ihrer Pässe und nicht ihrem genialen Auftreten zu verdanken haben. Das spanische Publikum erhebt die weissen Tücher, schwingt diese symbolisch, wie es bei einem Stierkampf üblich ist, wenn der tote Stier aus dem Stadion getragen wird. Ein totes Spiel, könnte man sagen.

Rudi Völler meint später in einem Interview gegenüber der WDR: „Das ist eine Schande für uns {Deutsche}, Österreich, für den ganzen Weltfussball“. 

Die Partie endet mit 1:0, Deutschland gewinnt die Gruppe, Österreich ist weiter und die Herzen Algeriens und des Weltfussballs bluten. Algerien verklagt die beiden Mannschaften, doch ohne Erfolg. Aufgrund der mangelnden Beweislage wird der Antrag abgelehnt. „Es wäre dumm gewesen, wenn wir nicht so gespielt hätten, wie wir es getan haben“, sagt Jupp Dervall, Trainer der deutschen 82-Mannschaft nach dem Spiel an der Pressekonferenz.

Beitrag der WDR zum Nichtangriffspakt

Verlieren, um zu Gewinnen

An diesem Zitat von Jupp Dervall liegt wie ich finde das Problem. Wir werden keinen Nichtangriffspakt im Fussball sehen, allerdings werden wir unspektakulären Partien begegnen, welche die Trainer und Spieler genau so planten. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass Stuttgart PSG heute Abend ein farbloser Trostkick wird, bei dem keine der beiden Mannschaften etwas riskieren möchte. Doch dieses auf Nummer sicher gehen, diese Mentalität, sie schadet dem Fussball. Verlieren, um zu gewinnen ist paradox und ein Tritt auf die Werte, die der Fussball über die Jahre schuf. Nicht falsch verstehen: passivere Einstellungen, um sicher ein Ziel (hier das Weiterkommen) zu erreichen, sind legitim. Jedoch verstehe ich nicht wieso ein PSG gegen Stuttgart oder das 82er Deutschland gegen Österreich auf Nummer sicher gehen muss, wenn sie doch genau in diesem Moment durch einen starken Auftritt beweisen könnten, dass sie eben die Mannschaft sind, die es verdient weiterzukommen. Oder wieso der Underdog nicht motiviert ist bei solch einer intensiven Tabellenlage die Bestleistung abzurufen. Statt der Bestleistung wird es dann meist einfach die effizienteste Lösung. 

Hoffen wir, dass ich mit der Prognose zum Spiel VFB Stuttgart PSG komplett daneben liege.

Zum Wohle des Fussballs.

"Das erschreckende an der Schande von Gijon war nicht ob wirklich ein „Nichtangriffspakt“ vorlag. Die Schande bestand darin, zu was diese beide Mannschaften fähig waren." -Damjan Bardak

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